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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Magersucht: Was ist das?

Magersucht ( Anorexia nervosa) ist eine ernste psychische Erkrankung, die durch Untergewicht aufgrund von Angst  (Gewichtsphobie) vor einem zu dicken Körper charakterisiert ist. Wörtlich übersetzt bedeutet Anorexie „Appetitverlust“. Eine Veränderung des Appetits steht jedoch nicht im Vordergrund der Störung, sondern vielmehr die massive Angst vor Gewichtszunahme, die u.a. mit einer gestörten Körperwahrnehmung (Körperbildstörung) einhergehen kann. Betroffene schränken ihre Kalorienaufnahme ein und magern ab – bis ein ausgeprägtes Untergewicht erreicht wird. Eine eingeschränkte Kalorienaufnahme oder ausgeprägter Kalorienverbrauch (z.B. durch Sport) kann bei Kindern und Jugendlichen während der Wachstumsphase ebenfalls zu Untergewicht führen.

Magersüchtige bemühen sich, das Untergewicht mit allen Mitteln zu halten, einem Zunehmen wird nahezu panisch entgegengewirkt. Ein Teil der Betroffenen ist dabei oft übertrieben körperlich aktiv, andere verwenden zuweilen Abführmittel (in seltenen Fällen auch Appetitzügler, Hormone oder Medikamente zur Entwässerung) oder Erbrechen, um das Körpergewicht zu reduzieren. Im Extremfall hungern sich Betroffene bis zu lebensbedrohlichen Zuständen ab. Viele Magersüchtige empfinden ihren untergewichtigen Zustand nicht als krankhaft und haben hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Komplikationen keine Bedenken. Typischerweise sind Magersüchtige perfektionistisch und erbringen sehr gute Leistungen. Gleichzeitig leiden sie an geringem Selbstbewusstsein und an der subjektiven Vorstellung, sie seien zu dick, egal wie dünn sie auch werden. Die Selbstwahrnehmung der Betroffenen ist beeinträchtigt, sie haben oftmals eine verzerrte Körperwahrnehmung.

Eine länger bestehende Mangelernährung kann Folgen für die körperliche Entwicklung sowie die Hirnentwicklung nach sich ziehen. Mangelernährung während der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter geht u.a. mit Fehlfunktionen im Hormonhaushalt (Erniedrigung von Östradiol, Progesteron, Luteinisierungshormon (LH) und follikelstimmulierendes Hormon (FSH)) und im Neuropeptidhaushalt einher und hinterlässt neueren Untersuchungen zufolge Spuren, die möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für spätere chronische psychische Erkrankungen und reduzierten sozialen Fähigkeiten einhergehen.

Bei adäquater Behandlung können die Patienten von ihrer Krankheit geheilt werden oder den Umgang damit lernen. Die Prognose ist umso besser, je geringer die Zeitdauer zwischen Erkrankungsbeginn und der Aufnahme einer professionellen Behandlung ist. Das komplexe Zusammenspiel zwischen körperlichen und psychischen Symptomen erfordert ein multimodales Behandlungskonzept und eine fachübergreifende Betreuung der Patienten. Bemerken Eltern Symptome einer Magersucht, sollten sie zeitnah einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie aufsuchen, der über umfassende Erfahrung in der Behandlung dieser Krankheit verfügt.

Magersucht ist eine lebensbedrohliche Erkrankung mit einem erheblichen Selbstgefährdungspotenzial. Wenn die psychische Störung nicht behandelt wird, besteht die Gefahr einer Chronifizierung der Erkrankung, einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes und einer Verschlechterung der Heilungsaussichten.

Die Anorexia nervosa ist die dritthäufigste chronische Erkrankung in der Adoleszenz. Es gibt Hinweise, dass die Erkrankungszahlen im Kindes- und Jugendalter zunehmen. Der Erkrankungsgipfel liegt bei 15/ 16 Jahren. Die Magersucht tritt 8 bis 12-mal häufiger beim weiblichen Geschlecht als beim männlichen Geschlecht auf. Untersuchungen zufolge leiden ca. 0.5-1% aller weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen im Alter von 14 – 25 Jahren an dieser Essstörung. Die Anorexia nervosa tritt überwiegend in industrialisierten Gesellschaften auf, wobei Patient(inn)en aus allen gesellschaftlichen Schichten stammen.